Ein Ideal verfolgen. Sich selbst optimieren. Immer alles besser und besser machen. Ständig hinterfragen und zweifeln. Und wieder der Drang nach einer Verbesserung. Noch eine Extra-Sporteinheit, bloß kein Alkohol, Fett oder Zucker mehr. Früher schlafen, früher aufstehen. Mehr schaffen, mehr Energie, mehr Effizienz, mehr, mehr, mehr. Das Phänomen der Selbstoptimierung ist schon lange bekannt. Im realen Leben und vor allem auf Social Media finden wir sie permanent, während wir durch unseren Feed scrollen. Doch mir kommt es so vor, als wäre seit einiger Zeit eine neue Form dazu gekommen – die Fremdoptimierung.
Es wirkt nicht mehr so, dass alle auf sich blicken und ihr Handeln hinterfragen. Klar, das findet man immer noch zur Genüge. Doch viel mehr scheinen sie auf die anderen zu schauen. Wann und wo macht XY was, wie, warum? Aber vor allem: Was macht er oder sie nicht? Die Mitmenschen oder viel mehr die Personen, denen man auf Instagram folgt (was ja quasi enge Bekannte sind) werden genauestens unter die Lupe genommen. Welche Makel sind zu erkennen? Äußerlich und ganz besonders bezogen auf ihr Verhalten? Und dann wird nicht das gelobt, was jemand gut macht, sondern es wird alles kritisiert, was noch „schlecht“ läuft – eben nicht optimal. Es folgt immer ein „Aber“ mit Äußerungen wie:
„Ja, das ist ja an sich schön und gut, was du da machst, ABER… Der Sojajoghurt ist doch in Plastik verpackt! Verzichtest du etwa nicht auf Plastik?!“, „…Für die Avocado wurde aber auch ganz schön viel Wasser verbraucht!“ oder „…Warum kaufst du nicht nur regionale Produkte?“.
Solche Aussagen führen zu negativen Gefühlen, Schuldgefühlen oder Scham, obwohl man doch schon versucht, ein bisschen zu verändern. Man hat permanent Angst, etwas falsch zu machen. Und wer eine Veränderung vornimmt, wie zum Beispiel einen eigenen Beutel mitzunehmen statt eine Plastiktüte zu kaufen, der muss direkt alles richtig machen. Kleine Schritte reichen den Fremdoptimierern nicht. Sie wollen optimales Verhalten von 0 auf 100 und zwar sofort. Das hat aber bei einigen Menschen eine sehr traurige Folge: Sie ändern erst recht gar nichts. Also nach dem Motto: „Egal, was ich tue, ich kann es ja sowieso nicht richtig machen.„
Es mag sein, dass einige Leute es wirklich nur gut meinen und zu ein paar Verbesserungen anregen möchten, aber die Art und Weise ist häufig sehr vorwurfsvoll und frei von Verständnis. Manchmal kommt es einem auch so vor, als ob sie einfach aus Prinzip immer etwas kritisieren möchten.
Daher möchte ich jetzt einmal zu etwas aufrufen: Lasst uns doch bitte alle an unsere eigene Nase packen. Wenn wir Veränderungen vornehmen möchten, können wir dies für uns tun. Wenn nicht, dann sollte es auch akzeptiert werden. Ich möchte nicht zu der extremen Form der Selbstoptimierung aufrufen, die auf den sozialen Netzwerken zu sehen ist. Ich möchte einfach sagen: Informiert euch, hinterfragt und dann entscheidet und handelt nach eurem Ermessen. Impulse zu geben ist gut, doch letztendlich entscheidet jeder selbst, wie er sein Leben gestalten möchte. Und wenn ihr wirklich Tipps oder ehrliche Ratschläge verteilen möchtet, dann überlegt doch vorher, wie ihr diese formulieren wollt. Dann erhaltet ihr womöglich Liebe durch Liebe.